Hand aufs Herz: was halten Sie von der vielzitierten Aussage des Management-Gurus Peter F. Drucker?

„Was man nicht messen kann, kann man nicht managen.“

 

a. Top, genau meine Rede. Nur Zahlen zählen.

b. Passt für mich nicht. Mit Zahlen habe ich nicht wirklich was am Hut.

 

Mal abgesehen davon, dass sich bei Antwort b die Frage stellt, warum Sie Steuerberater geworden sind😉, antworten die meisten mit a. Und bis vor kurzem war ich selbst ein Anhänger davon.

Strategie-Workshops mit Balanced-Scorecard, agile Zielsprints mit OKR Objectiv Key Results (dazu habe ich sogar einen Podcast gemacht), Smarte Ziele formulieren gehören zum klassischen Berater-Repertoire. Erfolgs- und Finanzplanung mit Mandanten ist für Steuerberater ein gutes Beratungsfeld.

Und dann bin ich stutzig geworden. In Zeiten zunehmender Digitalisierung schallt es von überall, dass Soft Skills die Währung der Zukunft sind: Empathie, Kommunikationsfähigkeiten, positive Einstellung, Lern- und Veränderungsbereitschaft, Komplexe Zusammenhänge verständlich darstellen – um nur ein paar zu nennen. Lassen sich die sinnvoll messen? Wenn ja wie und was kommt dabei raus?

In der Personalarbeit gibt es zahlreiche Fragebögen dafür, mit der Beschreibung beobachtbarer Verhaltensweisen, Punkten und Abstufungen der Bewertung. Das Ganze wird dann gewichtet und in einer Punkteskala (pseudo-)objektiviert. Da stellen sich dann Fragen wie:

  • Was wiegt mehr: Freundlichkeit oder Lernbereitschaft?
  • Kann ein Mitarbeiter mit guten Kommunikationsfähigkeiten Defizite bei Hilfsbereitschaft ausgleichen?
  • Ist ein Mitarbeiter mit 95 Punkten besser als einer mit 90 Punkten und warum?

Stimmungsbarometer als Stimmungskiller

Es gibt inzwischen viele Tools und Apps, mit denen Sternchen, Smileys oder andere Signale der einzelnen Mitarbeiter zu einem Gesamtbild führen. Doch wozu: wenn Sie mit offenen Augen durch die Kanzlei gehen, wissen Sie wie es Ihren Mitarbeitern geht. Chefs die nicht merken, wenn schlechte Stimmung ist, wissen auch nicht was sie unternehmen können, um aus einer 4.3 eine 5.8 zu machen.

So sinnvoll die Kennzahlen bei der wirtschaftlichen Unternehmensführung sind (und da bleibe ich ein Anhänger davon), so kontraproduktiv sind sie, wenn es um Menschen, Verhalten und Kultur geht. Ein Stimmungsbarometer kann zwischendurch mal ein punktuelles Schlaglicht auf das Miteinander werfen, doch wenn wöchentlich gemessen wird und Abweichungen sofort zu Maßnahmen führen müssen, wird das Tool selbst zum Stimmungskiller.

Schluss mit der Messbarkeit der Menschlichkeit

Führen Sie mit objektiven Kennzahlen, wie Umsatz, Deckungsbeitrag, Durchlaufzeiten, formulieren Sie gemeinsam im Team Spielregeln im Umgang miteinander und nutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand. Die wichtigste Fähigkeit einer Führungskraft heute ist es, Feedback und Kritik geben und nehmen zu können.  Ob ein Mitarbeiter 3 oder 5 Punkte bei Freundlichkeit hat, macht keinen Unterschied – wenn er oder sie unfreundlich ist, haben Sie Gesprächsbedarf – Punkt.

Und was hat das Ganze jetzt mit Bhutan zu tun?

Das Bruttonationalglück von Bhutan

Im Buch „Gute-Nacht-Geschichten für Führungskräfte“ habe ich davon gelesen.

Bhutan ist das einzige Land der Welt, in dem statt dem Bruttosozialprodukt das Bruttonationalglück gemessen wird. Der Begriff wurde bereits in den 70er Jahren vom 4. König von Bhutan geprägt, 1998 wurde eine Kommission für das Bruttonationalglück eingerichtet und seit 2008 ist es in der Verfassung verankert. In der Zwischenzeit haben viele Wirtschaftswissenschaftler dieses Land besucht und zu Beginn bemängelt, dass es ja gar keine Messgröße dafür gäbe und sich eifrig an die Arbeit gemacht.

Resultat: ein umfangreicher Fragebogen mit 750 Fragen zu den 4 Säulen (gute Regierungs- und Verwaltungsstrukturen, nachhaltige Entwicklung, Bewahrung und Förderung kultureller Werte und Schutz der Umwelt) mit weiteren 9 Domänen, der einen Index mit 3 Stellen hinter dem Komma ermittelt. 2008, 2010 und 2015 fanden damit offizielle Befragungen statt und jetzt wissen die Bhutaner, dass ihr Index 0,756 beträgt.

Vorher haben sich die Bhutaner einfach an die dazu formulierten Leitlinien gehalten und einen Lebensstil daraus entwickelt.

Der Premierminister hingegen (ein Harvard-Absolvent und Anhänger der Messbarkeits-Theorie) war unzufrieden mit dem Streben nach Glück, weil es „von den eigentlich anstehenden Aufgaben ablenkt, insbesondere davon, dass wir uns mehr anstrengen müssen“. 

Fazit: Manchmal ist es besser, das Messen zu lassen. Denn die Energie, die in der Entwicklung von Fragebögen und Durchführung der Befragung steckt, lässt sich bestimmt für etwas Schönes nutzen.

Kind mit Rose