Unternehmerwissen für Steuerberater & Steuerkanzleien

Die LeseEcke

Zurücklehnen und inspirieren lassen

Keine Buchung ohne (Papier-)Beleg“ – das war mit das Erste, was ich im Steuerbüro gelernt habe. Und was habe ich geflucht. Im Studium hatte ich bei der Klausur „Technik des betrieblichen Rechnungswesens“ (vornehm für Buchführung) die Sachverhalte immer schön per „Textaufgabe“ serviert bekommen. Da fehlte auch nie eine Angabe. Und dann der Praxisschock: Im Ruhrgebiet der späten 80er kamen die Buchführungen mit fast künstlerischer Zufallsordnung. Meist in der Aldi-Tüte – Schuhe mit Karton konnte sich damals bei uns keiner leisten 😉

Scherz beiseite: Edeka liebt Lebensmittel – wir lieben Belege? Jahrzehntelang war das unser Job. Die Buchhaltung aus den eingereichten Belegen „erschaffen“. Wenn ich nur 5 % der Telefonkosten für Belegnachfragen aller Steuerbüros von 1945 bis heute auf meinem Konto hätte – ich müsste wohl nie wieder arbeiten.

Belege sammeln ist und war kein Zuckerschlecken. Aber leidensfähig wie wir nun mal sind …

Und heute: Ja, es gibt immer noch (viel zu viele) Papierbelege. Aber zunehmend müssen Sie sich mit neuen Formen von Buchungsinformationen vertraut machen.

Ob per PDF, JPG oder TIFF – die digitalen Belege strömen in die Kanzlei. Und die Ordnung ist manchmal nicht weniger „künstlerisch“. Wirkliche Standards wie ZUGFERD scheitern oder sie kommen sehr spät. Ein weltweiter Standard, der das von allen akzeptierte Papier ersetzt, ist nicht in Sicht.

In der digitalen Alditüte sind jetzt auch noch verschiedene Sorten von Belegen. Ich mache mir da keine wirklichen Sorgen – die ersten „Übersetzungsprogramme“ gibt es ja schon – zu Beispiel DATEV-Smarttransfer, mit dem Sie zwischen den Formaten hin und her springen können.

Heute möchte ich daher auf etwas Anderes hinaus: Vertrauen.

Beobachten Sie einmal sich selbst und Ihre Mitarbeiter. Ihren echten „Digitalisierungsgrad“ können Sie daran messen, wie weit das Vertrauen in digitale Belege reicht. Ich sehe in Kanzleien immer noch jede Menge „Sicherheitsausdrucke“ – und das ersetzende Scannen hat aus meiner Sicht nicht nur Startschwierigkeiten wegen der entsprechenden Verfahrensanweisung, sondern auch wegen der Sicherheit, in der wir uns wiegen, wenn wir etwas „Schwarz auf Weiss“ besitzen. Nicht auszudenken, dass wir demnächst nicht mal mehr ein PDF haben werden, das man sich anschauen kann. „Belege“ werden nur noch aus Datensätzen bestehen.

Jüngere Mitarbeiter, denen dieses Sicherheitsbedürfnis oft schon abgeht, werden schnell als „ungenau“ oder „leichtsinnig“ angesehen.

Immer wieder höre ich auch, dass ja in der digitalen Welt der Missbrauch so nahe liegt – ist ja alles so einfach. Logo und Identität erfinden, Rechnung schreiben, PDf … Oder eine vorhandene Rechnung fälschen … heute kein Problem.

Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Mit Papier ging das schon immer. Und zwar superleicht. In Veranlagungszeiträumen, die betriebsprüfungssicher lange hinter uns liegen … Stichworte: Kassenbericht, Fahrtenbuch, Inventur, … muss ich weiter schreiben?

Der Punkt ist – wenn wir mit der „neuen“ Unsicherheit nicht klar kommen, die digitalen Belege also noch mehr hinterfragen als wir es schon mit den Papierbelegen gemacht haben …. dann wird das mit der effizienten Bearbeitung, bei der ja auch ein angemessener Deckungsbeitrag heraus kommen sollte, schwierig.

Das liegt zum einen schlicht an der Menge der Belege – der Online-Handel nimmt immer mehr zu. Der eine oder andere von Ihnen hat schon solche Mandanten. Und da geht es schnell um eine deutlich 4-stellige Anzahl von Buchungssätzen pro Monat – und ich rede hier nur von den Einnahmen. Da wird es schlicht unmöglich „händisch“ jeden Buchungssatz (= Beleg) zu kontrollieren. Wir werden also einen Kompromiss zwischen absoluter Kontrolle und ungeprüften Hinnehmen finden müssen.

Zum Anderen werden die den Mandanten zur Verfügung stehenden „Vorsysteme“ – vom reinen Fakturierprogramm über die Cloudbuchhaltung bis hin zum umfangreichen ERP-System – immer zahlreicher und tatsächlich auch besser. Und unser Einfluss auf die Auswahl dieser Vorsysteme steigt dadurch nicht wirklich an.

Hier spielt wieder einmal unser grundsätzlicher Charakter eine Rolle. Ich beschäftige mich ja schon einige Zeit mit den verschiedenen Persönlichkeitstypen. Es geht um Vertrauen, anders ausgedrückt: Es geht auch um Ihr persönliches Sicherheitsbedürfnis.

Eine der größten Herausforderungen, denen Sie in der nahen Zukunft gegenüberstehen, wird Ihre Entscheidung sein, wie Sie mit der digitalen Unsicherheit umgehen. Das betrifft natürlich auch und besonders Ihre Mitarbeiter.

  1. Sie lehnen das „Digitale“ ganz ab oder versuchen zumindest, durch ausgedehnte Prüfungen Fehler aufzudecken.
  2. Sie nehmen die Unsicherheit hin und „schieben“ die Verantwortung auf die Vorsysteme und somit auf den Mandanten.

Hmm, das finden Sie Beides nicht erstrebenswert? Ich ehrlich gesagt auch nicht.

Mein Tipp: Werden Sie zum echten Partner Ihres Mandanten – Angela hat es im letzten Blogpost „VFB“ genannt, den virtuellen Finanzbegleiter – sie spricht aber auch vom“ virtuellen Unternehmensbegleiter“ – ok an „VUB“ müssen wir marketingtechnisch noch arbeiten ;-).

Was ich meine ist: Nur wenn der Mandant Sie auch als kompetenten Entscheidungspartner ansieht, wird er Ihnen vertrauen und Sie sind darüber in der Lage, an den Entscheidungen – eben auch über die entsprechende Software und die Rechnungswesenprozesse des Mandanten – mit zu wirken und so Einfluss gewinnen.

Denn eines ist klar: Die Sicht auf Ihre internen Prozesse ist wichtig – heute ist die Sicht auf die Mandantenprozesse aber mindestens genau so wichtig, wenn Sie mit den Ergebnissen sinnvoll weiter arbeiten wollen.

Konkret:

  • Schauen Sie sich vorhandene Systeme beim Mandanten an
  • Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Marktführer von ERP-Systemen in der Branche Ihres Mandanten – für Handwerker, Ärzte, Freelancer, … googlen Sie mal …
  • Schulen Sie Ihre Mandanten und deren Mitarbeiter bei der Einhaltung der Formvorschriften bei Rechnungserstellung und Co.
    Wenn Sie aus 5.000 Einzelumsätzen die falschen Rechnungen bei Auslandslieferungen oder auch nur aus 50 Rechnungen des Handwerkers die falschen 13 b – Rechnungen heraus fischen müssen, schmilzt Ihr Deckungsbeitrag dahin – die Laune Ihrer Mitarbeiter übrigens auch 😉
    Wenn Sie den Mandanten aber immer wieder schulen, auf welche Fallstricke er aufpassen muss – sieht die Sache schon anders aus. Die Verantwortung ist natürlich im Endeffekt beim Mandanten, aber Sie haben ihn mit dieser Verantwortung nicht alleine gelassen …

Sitzen Sie einfach immer „auf dem Schoß“ des Mandanten – also bildlich.

Das heisst Fragen, Fragen, Fragen. Und zwar nicht nach fehlenden Belegen – denn Belege sind Vergangenheit – es geht um die Zukunft.

Einen Zusatzaspekt kann ich mir hier als bekennende „Honoraroptimistin“ nicht verkneifen: Sie können an jeden der obigen Punkte ganz groß BERATUNG schreiben😇

Und los.

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