Eine beliebte Frage bei unseren delfi-net Netzwerktreffen lautet „Wie viel Prozent produktive Zeiten haben Eure Mitarbeiter? Und was sollten sie mindestens haben?“

Dann wird  80% als Benchmarkwert in die Runde geworfen und als erstes beginnt die Diskussion darüber, was denn genau als Basis für den Prozentsatz gilt und was nicht. Werden Urlaub und Krankheit erst weggerechnet? Was ist mit Fortbildung? Und so weiter.

Cordula hat ja schon über den Mythos der abrechenbaren und nicht abrechenbaren Stunden geschrieben – hier geht es zu ihrem Beitrag „Wie viele nicht abrechenbare Stunden kann sich Ihre Kanzlei leisten?

Ich will das hier nochmal unter dem Aspekt Wirksamkeit klarstellen:

Der Anteil der produktiven Zeiten ist kein Indikator für Erfolg!

War er nie und wird er nie sein. Deine Mitarbeiter:innen können 60 oder 80% produktive Zeiten haben, das sagt nichts über den Kanzleigewinn aus. Im Gegenteil, Kanzleien mit 60% Produktivität und weniger sind oftmals erfolgreicher als die anderen. Denn entscheidend ist, was in den 40% der sogenannten unproduktiven Zeit gemacht wird.

Wer Hübner & Hübner noch kennt – die Höhenflug-Seminare vor 25 Jahren haben für mich nach wie vor Kultstatus – hat möglicherweise auch an deren Benchmark-Auswertung teilgenommen. Grundlage war die abgewandelte DuPont-Formel von David Maister (der Vater der Kanzleiberatung aus Amerika – ich merke ich werde alt, weil ich so in der Vergangenheit schwelge 😉). Er hat die Ermittlung der Eigenkapitalrentabilität als oberste Kennzahl genommen und auf Steuerkanzleien umgemünzt.

Klaus & Gunter Hübner haben die Grundlagen dazu in ihrem Buch „Abenteuer Steuerberatung“ beschrieben. Wenn Du Dich für die konkrete Übertragung der klassischen Dupont Formel auf Kanzleien interessierst, dann schicke ich Dir gern per Mail nähere Infos.

Erfolgskennzahl Gewinn je Partner

Für die Auswertung war die Erfolgskennzahl „Gewinn je Partner“ der entscheidende Benchmarkwert, der das Ranking der Kanzleien festgelegt hat.

Es haben damals mindestens 1.000 Kanzleien teilgenommen und es gab keinen Zusammenhang zwischen der Kennzahl Produktivität und Gewinn. Auch bei all unseren Kanzleicoachings haben wir bis jetzt noch keinen Beweis dafür gefunden, dass hohe Produktivitätswerte auch einen hohen Gewinn bedeuten.

Worauf kommt es also an?

Ich versuche es kurz zu machen: es gibt 5 Treiber für Kanzleierfolg und die Produktivität ist nur mittelbar dabei. Spannend dabei ist, dass sich der Gewinn je Partner als Multiplikation der einzelnen Treiber ergibt.

Kanzleibeispiel:

  • 1 Inhaber:in
  • 7 Fachmitarbeiter:innen Vollzeit
  • Je Mitarbeiter 1.300 verrechenbare Stunden
  • Jahresumsatz € 700.000
  • Gewinn € 200.000

In der Grafik lässt es sich am besten nachvollziehen

Dupont Formel Kanzlei

Probiere es mal mit Deinen Zahlen aus, um ein Gefühl für die Zusammenhänge zu bekommen.

Wenn Du hier an der Produktivität schraubst und zum Beispiel 10% mehr verrechenbare Stunden erzielst, steigt die Gesamtproduktivität von 10.400 auf 11.440. Hochgerechnet beträgt der Gewinn je Partner dann 218.446. Schaffst Du es den Stundensatz um 10% zu erhöhen, landest Du bei einem Gewinn von 222.300.

Wenn Du stattdessen 10% weniger Gesamtproduktivität hast und die Zeit dafür nutzt, hochwertige Services anzubieten bzw. die Preise zu erhöhen, so dass Du einen Stundensatz von € 100 erzielst, erhöht sich Dein Jahresumsatz auf € 960.000 und Dein Gewinn auf € 273.600.

Hygiene- und Gesundheitsfaktoren

Diese Begriffe stammen aus der Zufriedenheitsforschung, passen hier aber auch sehr gut. 

Es gibt Hygienefaktoren, die den Erfolg kurzfristig beeinflussen und Gesundheitsfaktoren, die sich langfristig auswirken.

Die Umsatzrentabilität und die Produktivität sind Hygienefaktoren, d.h. sie haben eine natürliche Grenze. Denn es macht wenig Sinn, sich in den Gewinn zu sparen. Und das Hochschrauben der Produktivität geht zu Lasten der Mitarbeiterzufriedenheit, Fortbildung und Entwicklungszeit. Mittel- bis langfristig lohnt es sich also an den entscheidenden Faktoren zu arbeiten: dem Stundensatz und dem Leverage. Und weil auch die Anzahl der Mitarbeiter pro Inhaber:in inzwischen ein begrenzender Faktor ist – Führung und Entwicklung heißt Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation und braucht ihre Zeit – ist das Honorar der beste Hebel, an dem Du ansetzen kannst.

Also: bevor Du wieder in eine Diskussion verwickelt wirst, wie hoch Deine Produktivität ist und Du denkst „Da geht doch noch was“: nimm Dir die DuPont Formel und rechne mal durch, ob und wie Du das Honorar erhöhen kannst. Honoraroptimistin Cordula gibt dazu in einem der nächsten Beiträge gerne ein paar Tipps.

Oder Du schaust Dir die Aufzeichnung unseres Webinars „Honorar aktiv gestalten“ vom Dezember 2021 an.

Ok, so ein bisschen Kennzahl „Produktive Zeiten“ ist für Dich doch ganz spannend? 

Denn Du möchtest trotzdem wissen, wie effizient Deine Mitarbeiter in ihrer „produktiven“ Zeit arbeiten? Da ist natürlich Controlling sinnvoll, denn Honorare lassen sich – leider 😇 – nicht endlos erhöhen.

Auch dazu findest Du bei uns Tipps und Denkhilfen: