Nicht abrechenbare Stunden sind immer wieder Thema in der Kanzlei. Immer wieder kommt die Frage, wie viele „unproduktive“, also nicht abrechenbare Stunden denn „sein müssen“. Dazu heute eine Streitschrift – und eine Begriffsklärung.

Warum nicht abrechenbare Stunden nicht existieren

„Unproduktive Stunden“ sind ein Schimpfwort – in der Regel werden darunter die Eigenverwaltungszeiten verstanden.
Überlegen Sie bitte einmal, was Sie mit diesem Begriff ausdrücken:

  • „Liebes Sekretariat, ich schätze Euch wert, aber leider seid Ihr unproduktiv.“
  • „Liebes QM-Team, Ihr seid sehr wertvoll, die Zeit für das QM ist aber unproduktiv.“

Wirklich unproduktiv sind wir, wenn wir nichts tun. Das nennt man Erholung. Wir wissen mittlerweile: Ohne Erholung keine Produktivität.
Oder wenn wir etwas nicht so effizient tun, wie es sein könnte. Das Gegenmittel: fachliche Kompetenz und (digital) optimierte Prozesse.

Meine Antwort:

Ihre Kanzlei kann sich so viel „unproduktive“ Erholung leisten, wie alle in der restlichen Zeit effizient arbeiten.

Wie viele nicht abrechenbare Stunden kann sich Ihre Kanzlei leisten?

Nicht abberechenbare Stunden ist die weich gespülte Variante von „unproduktiv.“ Darunter werden in der Regel die Zeiten für Tätigkeiten verstanden, die dem Mandanten nicht direkt berechnet werden können.
Deswegen muss man sie möglichst klein halten.

Sprich: Sie sagen es etwas netter – die Botschaft ist dieselbe.

Meine Antwort:

Ihre Kanzlei kann sich nicht abrechenbare Stunden genau in Höhe von 0,00 Minuten leisten.

(M)eine neue Zeiteinteilung

Ich teile die Arbeitszeit aller Kanzleimitglieder folgendermaßen auf:

Mandantenzeit

Zur Mandantenzeit gehört alles, was wir tun, weil es den betreffenden Mandanten in der Kanzlei gibt (also alle „Einzelkosten“).

Kanzleizeit

Zur Kanzleizeit gehört alles, was wir unabhängig vom einzelnen Mandat tun.

Diese Zeit teilt sich in die „laufende Verwaltung“ in bestehenden Prozessen und in die Projektzeit auf.

Letztere beinhaltet jede Arbeit an der Kanzlei – aktuell steht die Digitalisierung Ihrer Dienstleistungen und Prozesse hier ganz oben auf der Liste. Für mich als Honoraroptimistin wünsche ich mir mehr Zeit für Ihre Honorarstrategie 😇.

Zwischenergebnis

Keine unproduktiven Stunden. Keine nicht abrechenbaren Stunden. Aus meiner Sicht muss die gesamte Zeit in der Kanzlei bezahlt werden.
Sie beantworten mit Ihrer Kalkulation die Frage wer diese Zeit bezahlt

(M)eine neue Kalkulation

Egal ob Sie Ihre Honorare klassisch nach StBVV abrechnen oder über die Öffnungsklausel des § 4 StBVV individuelle Honorarvereinbarungen treffen – etwa, weil Sie nicht über ein Jahrzehnt warten wollen, bis die nächste gesetzliche Honoraranpassung genehmigt wird – die Grundlage für Ihre Kalkulation bleibt intern die Zeit.

Als alleinige Kalkulationsgrundlage greift sie allerdings zu kurz. Aus meiner Sicht kann der Zeitaufwand immer nur die Untergrenze Ihres Honorars bestimmen. Andernfalls beschränken Sie Ihr Honorarvolumen und geben jede Verbesserung der Kanzleieffizienz 1 : 1 an Ihre Mandanten weiter. Die Kosten der Effizienzsteigerungen wie Digitalisierung und Prozessoptimierung gehen dann allein zu Lasten Ihres Gewinns.
Sie haben damit entschieden, dass Sie sich an den „nicht berechenbaren Zeiten“ zu 100 % beteiligen.

Noch ein Begriffsirrtum: Der Deckungsbeitrag

In unserer Branche reden wir sehr oft vom Deckungsbeitrag.
Die Deckungsbeitragsrechnung ist für Grenzbetrachtungen gedacht: Wieviel trägt ein Auftrag zur Fixkostendeckung bei? Weiter gegriffen – wie viel trägt der Auftrag insgesamt zur Kostendeckung bei?
Geht es bei Ihnen in der Kanzlei wirklich darum, durch zusätzliche Aufträge „wenigstens“ die Kosten zu decken? Im Klartext: Streben Sie einen Gewinn von 0,00 T€ an?
Ich hoffe nicht. Ihr Ziel sollte aus meiner Sicht sein: Jeder Mandant und hier auch jeder Auftrag deckt nicht nur Ihre gesamten Kosten, sondern auch den Unternehmerlohn, die kalkulatorischen Kosten, idealerweise noch einen zusätzlichen Gewinn – sozusagen das „Sahnehäubchen“

Wie viel Gewinn muss Ihre Kanzlei verdienen?

Die Grundformel ist ganz einfach:

   Vollkosten
+ 150.000 Unternehmerlohn pro Partner
+ kalkulatorische Zinsen/ Miete …
+ Investitionsrücklagen (mind. 10 % – die Digitalisierung gibt es nicht umsonst)
+ Gewinnzuschlag ab 5 % aufwärts

Im Regelfall summiert sich das in etwa auf 200 – 250 T€ Gewinn pro Partner.
Eine astronomische Summe?

Wie sieht Ihr Stundenlohn aus?

Frage: Wieviel Stunden arbeiten Sie im Jahr?
Unter der optimistischen Annahme, dass Sie 230 Tage je 8 Stunden arbeiten, kommen wir nach meiner Kalkulation auf einen „Stundenlohn“ von 108,70 – 135,87 € vor Steuern. Der Wirtschaftsprüfer, Chefarzt oder Rechtsanwalt wird sich darunter nicht verkaufen – warum also Sie?

Sie arbeiten mehr als 1.840 Stunden im Jahr? Rechnen ist ja Ihre Kernkompetenz…

(M)ein Aufruf

Hören Sie auf von unproduktiven oder nicht abberechenbaren Stunden zu sprechen.
Hören Sie auf in unproduktiven oder nicht berechenbaren Stunden zu denken.
Hören Sie auf von Deckungsbeitrag zu sprechen.
Hören Sie auf mit aufwändiger „Zeitforensik“ heraus zu finden welcher Mandant – oder gar Mitarbeiter – Ihren Deckungsbeitrag „ermordet“ hat.

Stattdessen

Fangen Sie an sowohl Mandantenzeit als auch Kanzleizeit zu schätzen.
Fangen Sie an von Gewinn zu sprechen und auch in Gewinn zu denken.
Fangen Sie an Ihre Kalkulation mit Gewinn bringenden Stundensätzen zu kalkulieren.

Kurz: Trauen Sie sich endlich offen damit umzugehen, dass Sie ein Unternehmer sind und kein Samariter in schimmernder Rüstung (in der innen der Rost rieselt).

Sie wollen zukunftsorientiertes Controlling statt Zeitforensik?

Im Webinar vom 30.04.2021 erfahren Sie wie ein modernes und zukunftsorientiertes Controlling in Ihrer Kanzlei aussehen kann.