09. November 2018 | Auf dem websummit in Lissabon haben Angela und ich echten Vortragsmarathon gemacht. Dieses Mal waren wir gemeinsam mit den anderen 69.998 Teilnehmern aber zum Zuhören da.
OK, wir haben nicht alle 1.800 Vorträge geschafft – ehrlicher Weise müssen wir auch zugeben, dass wir einen Großteil der Vorträge und Workshops gar nicht verstanden hätten ;-))
Bei Amazon und Google flimmerte immer wieder Programmiersprache über die riesigen Flatscreens …
Wir wollen aber immer erfahren, wie die neuesten Trends aussehen und natürlich schon mal überlegen, wann und wie das dann in Eure Kanzleien kommt.
Ein Vortrag hat mich besonders begeistert – Cassie Kozyrkov, Chief Decision Scientist bei Google, hat es geschafft, mir endlich mit einfachen Worten zu erklären, was es mit dem Machine Learning auf sich hat.
Die klassische Programmierung von Software funktioniert über Befehle – ganz grob gesagt sieht das wie ein Rezept aus: Man nehme diese oder jene Daten in entsprechender Menge und führt dann Operationen aus, um das Ergebnis zu erreichen.
Das „Maschinenlernen“ ist eine neue Art der Programmierung.
Natürlich lernt die Maschine nicht aktiv selbst – das bleibt erst einmal Science Fiction Filmen vorbehalten.
Die Maschine wird angelernt. Dies passiert über Beispiele.
Damit eine Maschine lernt, einen Hund zu erkennen, zeigt man der Maschine eine riesige Zahl an Fotos mit allen möglichen Hunden drauf.
Die „Maschine“ kann man sich als Insel vorstellen, auf der 1 Mio „Maschinenarbeiter“ sitzen. Sie sammeln die Fotos (Daten) und zerlegen sie in einzelne Merkmale und Bestandteile. Dabei ist es ihr Ziel Muster zu finden, die dann auf zukünftige Fragestellungen angewendet werden können.
So kann die Maschine erkennen, wenn ein Foto eben keinen Hund sondern eine Katze zeigt.
Dieses Lernen ist eigentlich nichts anderes als unser Lernen zum großen Teil auch: Wir lernen aus Erfahrungen. Unser Gehirn ist die größte „Datenverarbeitungsmaschine“ – jeder von uns ist in der Lage eine unvorstellbare Menge an Daten zu verarbeiten. So kann bereits ein Dreijähriger in der Regel Hunde und Katzen unterscheiden.
Was wird uns dieses Maschinenlernen nun aber in der Kanzlei nützen?
Insbesondere in der Fibu, aber auch in allen anderen unserer Dienstleistungen gibt es eine Unmenge an Daten = Beipielen, mit denen wir die Maschinen füttern können. Buchungssätze, Lohnregelungen, Kennzahlen – alles Daten, aus denen die neuen Systeme Muster erkennen und Modelle erstellen können, um uns bei Recherche und Entscheidungsfindung zu unterstützen.
So können „Buchungsautomaten“, die mit Millionen Buchungssätzen und Belegen gefüttert werden, sehr zuverlässig Geschäftsvorfälle verbuchen. Automatische Frühwarnsysteme in Sachen Liquidität oder Insolvenz sind ein anderes Anwendungsgebiet. Bei der Beratung kann eine „Maschine“ die Auswahl zwischen verschiedenen Beratungsmodellen zumindest erleichtern… Anwendungsgebiete wird es reichlich geben.
Und es wird nicht mehr lange dauern – in den nächsten drei Jahren kommen die ersten funktionierenden Anwendungen in unsere Kanzleien.
Wird die „künstliche Intelligenz“ selbst entscheiden? Im Moment sicher nicht – die Diskussion, wie weit wir die Verantwortung für Entscheidungen auf die „Maschinen“ übertragen können und wollen, ist sicher eine der Herausforderungen in den nächsten Jahren.
Genau wie allgemein verbindliche Grundsätze im Umgang mit den Maschinen. Dieses Thema spielte auf dem websummit auch eine große Rolle – beruhigend wie ich finde.
Denn eines kam ganz klar heraus: Daten sind „menschlich“.
Sie werden von Menschen gemacht, beobachtet, analysiert und interpretiert.
Wenn eine Maschine aus Beispielen lernt, sind wir es als Menschen, die dafür verantwortlich sind, welche Beispiele wir ihr zum Lernen geben.
Wenn ich also nur Beispielfotos mit aggressiven, beissenden Hunden auswähle …
Außerdem ist es für Maschinen sehr schwierig „Fälschungen“ zu erkennen.
Zeige ich einer Maschine ein Hundefoto mit einer Löwenmaske, wird im Zweifel „Katze“ heraus kommen.
Daher trainiert man jetzt auch immer wieder mit „Fakes„. Man zeigt der Maschine ein falsches Beispiel, sagt es ihr aber auch und gleicht die Fakes mit dem Original immer wieder ab. So will man Missbrauch reduzieren.
Die Entwicklung ist wirklich Atem beraubend.
Entscheidend für mich ist, dass wir Menschen die Grundsatzentscheidungen gut treffen müssen, damit die Maschinen uns „richtig“ unterstützen.
Cassie arbeitet mit einem Küchenbeipiel und sagt: „Ihr müsst nicht bis ins letzte verstehen, wie eine Mikrowelle funktioniert. Lernt Kochen. Und bevor Ihr etwas serviert, dass aus der Mikrowelle kommt, verkostet es erst.“
Heisst für mich bei aller Begeisterung für die Zukunft: Informiert Euch so weit wie Ihr könnt. Überlegt wozu Ihr es braucht – was wollt Ihr kochen? Und testet jedes Gericht mit Euren Erfahrungen und Instinkten – denn unser Hirn ist immer noch die beste „Maschine“.