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2308 Defibrilator

Die Fibu ist tot – wo ist der Defibrilator?

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Die Fibu ist tot - lang lebe das Rechnungswesen

Mein Artikel im Online-Magazin stb-web.de „Die Fibu ist tot – lang lebe das Rechnungswesen“ hat bei vielen Leserinnen und Lesern großen Anklang gefunden. Wir haben selten so viel direktes Feedback auf einen unserer Beiträge bekommen.

Eine Rückmeldung hat mich dabei selbst zum Nach- und Weiterdenken gebracht.

„Liebe Angela, Du triffst mit diesem Beitrag voll ins Schwarze und sprichst mir aus der Seele. Ich sehe für mich dabei nur eine Schwierigkeit: die Buchführung macht bei mir 28% des Umsatzes aus. Wir tun gefühlt alles, um digital zu arbeiten. Doch ein Effizienzgewinn ist nicht wirklich zu spüren. Der Arbeits-und Fristendruck ist hoch und wir wissen nicht, wo wir die Zeit für aktive Beratung und Kommunikation hernehmen sollen. Irgendwo hakt es und wir wissen nicht, wo. Hast Du eine Idee – ich sag mal, um im Bild zu bleiben, einen Defibrilator – wie wir unserer Buchführung die richtigen Stromstöße / Impulse verpassen, damit sie ein guter Umsatzträger bleibt und zum Rechnungswesen wiedererweckt werden kann? Wir sind dankbar für jeden „ärztlichen“ Rat.“

Cordula und ich haben dann kurz mal die Köpfe zusammengesteckt und überlegt, was die typischen Auslöser für Stress und Mehrarbeit bei der digitalen Buchführung sind. Und das empfehlen wir Euch auch.

Defibrilator Tipp 1

Bitte Deine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Post-Its oder Moderationskarten aufzuschreiben, was die 3 größten Zeitfresser / Stressverursacher / Nervenkoster bei der Buchführung sind. Je Punkt ein Post-It. Dann trefft Ihr Euch vor einer (Moderations-)Wand und jeder klebt seine drei Punkte an die Wand. Jetzt bildet Ihr Gruppen mit den gleichlautenden Themen. Das Thema, das am häufigsten genannt wurde, ist Euer erster Diskussionspunkt.

Überlegt Euch, wie ihr diesen Zeitfresser schlanker gestalten könnt, findet Maßnahmen und setzt sie im nächsten Monat um.

Dann trefft Ihr Euch wieder und besprecht, ob und was es gebracht hat. Wenn Ihr den ersten Punkt erfolgreich umgesetzt habt, also den ersten Zeitfresser eliminier habt, widmet Ihr Euch dem am zweithäufigst genannten Thema und das „Spiel“ beginnt von vorn. Das macht Ihr so lange, bis alle Punkte abgearbeitet sind.

Seid Euch dabei im Klaren, dass die Umsetzungsmaßnahmen 80%-Lösungen sind. Ihr werdet mit einer Maßnahme nicht 100% aller Eventualitäten und individuellen Mandantenanforderungen lösen, es genügt 80% in den Griff zu bekommen und keine extra Energie aufzuwenden, um den hintersten Winkel sauber zu kehren. Denn dann kehrt sich der Effekt wieder um und Ihr habt genau so viel Arbeit oder sogar mehr als vorher.

Hauptverdächtiger Nummer 1 "Beleganlieferung"

Auch Cordula und ich haben schnell einen der üblichen Verdächtigen identifiziert. Denn wenn wir in Mitarbeiter-Workshops nach den Zeitfressern fragen, kristallisiert sich meistens ein Zeitfresser sehr schnell heraus: der Prozess „Beleganlieferung durch Mandanten“.

Wobei – hoppla -, an dieser Stelle schon von Prozess zu sprechen, ist wohl in vielen Fällen verfrüht. Denn wenn wir das in Kanzleien hinterfragen, gibt es dafür keinen Prozess, sondern die Mandanten liefern, so wie es ihnen passt und weil ihnen bis jetzt niemand etwas anderes vorgegeben hat.

Und hier liegt der Hase im Pfeffer: die Digitalisierung hat in Sachen Beleganlieferung die Arbeit definitiv aufwendiger gemacht statt Zeitersparnis zu bringen. Denn auf einmal gibt es statt einem Weg – seufz, die guten alten Zeiten als es nur Papier und Pendelordner gab 😉 – auf einmal viele Wege – Mail, Portal, Scan, Beleg-App (ich habe sogar von Mandanten gehört, die ihre Belge über Facebook oder WhatsApp geschickt haben) – und die Mitarbeiter sind damit beschäftigt, dass sie den Überblick behalten und alles geordnet und vollständig in das eigene System bekommen.

Diese individuellen Lieferwege sind meist historisch gewachsen und weil sich die Kanzleien als serviceorientierte Dienstleister verstehen, haben sie das akzeptiert. Sie haben weder hinterfragt, ob es Sinn macht für die Kanzlei und den Mandanten, noch ob es angemessen honoriert wird. Je mehr Vielfalt Du zulässt, umso mühsamer und auch fehleranfälliger wird das Tagesgeschäft.

Praxisbeispiel Mehraufwand

Cordula hat dazu ein aktuelles Beispiel, wie Kanzleien es durch die Digitalisierung schaffen, sowohl dem Mandanten als auch sich selbst Mehrarbeit zu verschaffen:

Ein Mandant liefert seine Eingangsbelege in einer Gesamt-PDF. Die Mitarbeiterin ist dann damit beschäftigt, die Rechnungen zu vereinzeln und wenn eine Rechnung aus mehreren Seiten besteht, diese in einem Dokument wieder zusammenzuführen. Auf der Mandantenseite sitzt gleichzeitig jemand, der in einem zusätzlichen Arbeitsschritt alle Rechnungen in ein Dokument speichert und daraus die PDF erzeugt. Denn die Rechnungen selbst liegen ja erst Mal einzeln beim Mandanten vor. Auf beiden Seiten also überflüssige Zusatzarbeit. Nach kurzer Rücksprache mit diesem Mandanten hat die Kanzlei jetzt Zugriff auf den Dropbox-Ordner, in dem der Mandant alle Rechnungen sammelt und zieht sich das direkt ins eigene System rüber.

Ich möchte nicht wissen, wie viele überflüssige Arbeitsschritte in Kanzleien und beim Mandanten anfallen, einfach weil wir den Anlieferungsprozess als gegeben akzeptieren.

Defibrilator Tipp 2

Definiere den Prozess „Beleganlieferung durch Mandanten“ und gebe den Mandanten eindeutig die Wege vor mit Spieregeln für die Anlieferung und Zusammenarbeit.

Starte am besten mit einem Quickcheck mit Deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Sammelt dazu alle Anlieferungswege, die bis jetzt genutzt werden. Wenn ihr das nicht direkt aus dem Ärmel schütteln könnt, dann führt einfach jeder einen Monat lang während der Bearbeitung der Buchführung kurz Protokoll bei jedem Mandanten und notiert, wer welchen Weg nutzt. Wenn es keinen großen Aufwand macht, schreibt noch dazu wie viele Ausgangsrechnungen und wie viele Eingangsrechnungen beim Mandanten anfallen und – das wäre aus meiner Sicht noch eine spannende Extra-Info – wie viele Belege monatlich im Schnitt fehlen und angefordert werden müssen und auf welchem Weg diese Belege dann in die Kanzlei kommen. Denn was nützt eine Buchführung mit funktionierenden Schnittstellen, wenn fehlende Belege manuell nachgepflegt werden müssen.

Wenn Du ein Excel-Fan bist, kannst Du das natürlich auch in einer Excel-Liste zusammenstellen, um dann nach unterschiedlichen Kriterien filtern zu können. Das könnte zum Beispiel so aussehen

2308 Excelbeispiel Anlieferungswege

Wenn Du das einmal vor Augen hast, ahnst Du, warum der lang ersehnte Effizienz-Effekt bei der digitalen Buchhaltung ausbleibt.

Cordula hat dazu eine Checkliste für die Spielregeln der Zusammenarbeit erstellt, die Du als Anregung nutzen kannst. Viele kennen sie auch schon, doch vielleicht schaust Du sie Dir unter diesem Gesichtspunkt noch einmal an. Hier geht es zum Download.

Defibrilator Tipp 3

Dieser Tipp ergibt sich aus den vorherigen beiden. Du gibst den Prozess vor, denn Du bist der Profi – nicht der Mandant.

Entscheide, welchen Weg Du Deinen Mandanten zur Verfügung stellst. Aus dem Quickcheck von Tipp Nummer 2 siehst Du, wo die Häufung ist und die machst Du zum Hauptweg. Das gilt auch für die Vorsysteme, die Deine Mandanten nutzen.

An dieser Stelle haben Cordula und ich auch dazu gelernt. Vor drei bis fünf Jahren als wir in London die Steuerberater-Messe Accountex besucht haben, lautete die Devise: 3 bis 5 Buchhaltungslösungen sollte eine Kanzlei anbieten, also zum Beispiel mindestens Lexoffice, Sevdesk, Fastbill, und sich damit auskennen. Das sehen wir heute anders.

Suche Dir e i n System aus und das beherrscht ihr dann richtig gut. Wenn der Mandant dann auf sein System besteht, könnt Ihr das entweder extra bepreisen, die Spielregeln anpassen oder das Mandat ablehnen.

Je mehr Wege, Tools und Formate Du zulässt, desto zeitintensiver wird es.

Und auch hier gilt wieder die 80%-Regel. Finde eine Lösung, die für 80% Deiner Mandanten passt. Die Umstellung beim Mandanten kostet zwar am Anfang Zeit für Erklärung bzw. ist die eine oder andere Umgewöhung erforderlich. Doch wenn Du diesen Prozess glatt gezogen hast – im englischen heißt das so schön „to streamline your processes“ – wirst Du Effizienzeffekte spüren.

Wie sind Deine Erfahrungen? Wie hast Du Deinen digitalen Fibu-Prozess optimiert? Hast Du weitere Defibrilator-Tipps für uns? Dann schreib in den Kommentar oder schicke uns eine Mail an service@kanzleioptimisten.de

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