Unternehmerwissen für Steuerberater & Steuerkanzleien

Die LeseEcke

Zurücklehnen und inspirieren lassen

Aus unserer Reihe Kanzleihacks heute eine Sprinthilfe für die Bilanzerstellung.

Ich erinnere mich gerade an eine Kanzleiberatung, die auch am Ende eines Oktobers begann.

Der alltägliche Wahnsinn

Das Problem

Der Hilferuf: Wir sind mit unseren Bilanzen so hinterher. Wir werden nicht ansatzweise den 28.2 geschweige denn den 31.12. schaffen. Was war passiert? Die Kanzlei hatte in dem Jahr guten Mandanten-Zulauf. Genau in dem Jahr aber kriselte es im Mitarbeiterbereich. Von insgesamt ursprünglich 9 Mitarbeitern hatten in dem Jahr zwei die Kanzlei ganz verlassen. Eine Mitarbeiterin erhielt Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft und war so schon 3 Monate vor dem geplanten Mutterschutztermin „kalt gestellt“. Bei der Neubesetzung der offenen Stellen hatte die Kanzlei einmal Glück gehabt – ein Top-Mitarbeiter der sich aber nichts desto trotz auch erst einarbeiten musste. Die andere Einstellung war gründlich schief gegangen. Die Mitarbeiterin merkte nach 4 Monaten, dass es doch „ziemlich stressig“ in der Kanzlei zuging.

Nun drohten noch 162 Fälle für 5 Bilanzmitarbeiter, die theoretisch bis Fristende bearbeitet sein mussten. Und da gab es auch Mandanten in der Form der GmbH, die tatsächlich nicht fertig zu werden drohten.

Ich schwöre, da ist nix erfunden.

Die Herangehensweise

Wir machten per Post it einen Überblick auf einer Pinnwand: Jeder Mandant ein Post it. Dabei verwendeten wir verschiedene Farben: Gelb für bilanzierende Einzelunternehmer, grün für EÜ, rot für GmbH´s, …

Dann fingen wir an auszusortieren:

  • welche Mandanten hatten nicht „geliefert“ – bei diesen Fällen ließ die Kanzlei los – sie würden erst ganz am Schluss nach der Reihenfolge des Eingangs bearbeitet werden – unabhängig von Finanzamtsfristen.
  • welche Mandanten waren im Zahlungsrückstand
  • Welche Mandanten standen eh schon auf der „Abschussliste“ weil Zusammenarbeit und Zahlungsverhalten schon länger nicht (mehr) passten.

Als nächstes machten wir uns ans Prioritäten Setzen. Welche Mandanten mussten unbedingt bis 31.12. fertig werden?

Die Kriterien der Kanzlei waren:

  • GmbH´s nicht zuletzt wegen der Einreichung zum HR
  • A-Mandanten, die ihre Unterlagen schon länger eingereicht hatten
  • Bp-gefährdete Mandanten, bei denen ein abgegebenes Jahr Gold wert sein kann

Sie ahnen es, nach unseren Reduktionsmaßnahmen blieben immer noch etwa 120 Fälle übrig. Immer noch viel zu viele.

Innerhalb der verbliebenen Fälle priorisierten wir noch einmal. Welchen als erstes – welchen dann…

Wir schätzten die Zeit, die für die Bearbeitung auf der Basis der Zeiten des letzten Jahres wohl bei jedem Mitarbeiter benötigt werden würde.

Die Maßnahmen

Nun ging es daran, zu überlegen wie wir Zeit „gewinnen“ konnten. Folgende Maßnahmen wurden beschlossen:

  • Überstunden – wir verständigten uns auf ein Überstundenkontingent – für jeden Mitarbeiter individuell. Dass Zusatzstunden anfallen würden war eigentlich jedem klar. Uns war aber wichtig, dass vorher klar war wer welche Überstunden leisten konnte und wollte. Wir klärten auch die Vergütung vorher.
  • Mitarbeit Chef – Unterlagen besorgen, Zeit für schnelle Klärung der Rückfragen, teilweise eigene Mitarbeit.
  • Abgabe von Buchführungen und Lohn an die anderen Mitarbeiter. Alle halfen mit.
  • Aussetzung der Prozess-Checklisten bei Einnahme-Überschussrechnern und Einzelunternehmern – Ausnahme: A-Mandanten.
  • Rigorose Kürzung des 4-Augenprinzips – die Fälle wurden seitens der Kanzleileitung nicht mehr eingehend geprüft – Ausnahme Sondertatbestände.
  • ausgedehnte stille Zeiten für die Bilanzsachbearbeiter – Telefon und Mails wurden wie im Urlaub umgeleitet. Und nur blockweise abgebarbeitet.

Wir wollten insgesamt vermeiden, dass durch wiederholtes Prüfen und Arbeiten an „Nebensachverhalten“ zu viel Zeit anfiel.

Zu diesem Zweck gab es vor dem „Loslegen“ jeweils ein kurzes „Bilanzbriefing“ – ja, ich weiß: Englisch. Auf Deutsch: Einsatzbesprechung. Hier klärte die Kanzleileitung Bearbeitungsschwerpunkte und insbesondere Bereiche die beim jeweiligen Mandaten nicht tiefer bearbeitet werden mussten.

Mir kommt das immer mal wieder zu Ohren, dass die Chefs an den Zeiten der Bilanzerstellung verzweifeln. „Die wirklich wichtigen Dinge werden oft übersehen, an Nebenkriegsschauplätzen wird das Fass aber weit aufgemacht.“

Natürlich kann die Ursache einer solchen Vorgehensweise fehlendes Fachwissen sein. Aus meiner Erfahrung liegt es aber auch besonders daran, dass Mitarbeiter gern „auf Nummer sicher“ gehen, weil sie schlecht einschätzen können, was der Chef sich bei der internen Besprechung wohl „herauspicken“ wird. Siehe auch unser Blogbeitrag: Mei Herz is wie a Bergwerk.

Die aus der Not geborene „Krisen-Einsatzbesprechung“ hat sich daher insgesamt als sinnvolle Maßnahme erwiesen.

Wenn Sie als Chef die Bearbeitungstiefe und die Schwerpunkte v o r Beginn der Bilanzarbeiten mit dem Mitarbeiter kurz besprechen, wird weniger Zeit für Nebensachen und die notwendige Zeit für die wirklich wichtigen Sachverhalte verbraucht.

Mein drei Praxistipps:

Tipp 1: Natürlich werden Sie nicht für jeden Fall eine kurze persönliche Besprechung machen. Bei kleineren bzw. einfacheren Mandanten ist das gar nicht notwendig oder gut per Mail/ Aufgabensoftware zu lösen.

Tipp 2: Nehmen Sie bei arbeitsteiligen Mandanten alle Involvierten mit ins Briefing bzw. ins CC.

Tipp 3: Lassen Sie immer mehr den Mitarbeiter Vorschläge zur Bearbeitungstiefe vorbereiten. So erhöhen Sie den Lerneffekt, auf was Sie bei den einzelnen Mandanten wert legen.

Der Nutzen

Durch die Briefings unter Einbeziehung aller Involvierten erhöhen Sie nicht nur die Effizienz bei der Bilanzbearbeitung sondern auch den Wissenstransfer und den Informationsfluss in Ihrer Kanzlei.

Wichtig

Die Betonung liegt auf „kurz„. Das bedeutet 5 – 15 Min maximal im Stehen. Denn für einen schnellen Start sollten Sie sich nicht erst langwierig „umziehen“ müssen.

Besprechung im Stehen

Also: Kurze Hose an und los.

Bleib am Ball

mit dem 14-tägigen Newsletter.

Impulse und Tipps zur Kanzleientwicklung, praktische Arbeitshilfen und aktuelle Branchentrends

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert